Kriegsgräberfürsorge im Banater Bergland

Das Grabmal in Deutsch-Saska = Sasca Montană

Luise Lang aus Deutsch-Saska erzählte 2006:

„...Es geschah im Oktober des Jahres 1944 als ich 12 Jahre alt war. Die deutschen Soldaten sind aus Serbien gekommen, es war nach dem 23. August 1944. Für die Deutschen Rumäniens war der 23. August 1944 ein historischer Wendepunkt, der Tag, an dem Rumänien sein Waffenbündnis mit Deutschland kündigte, um sich den Alliierten anzuschließen.

Wir waren alle zu Hause, mein Vater kehrte aus der rumänischen Armee infolge einer Erkrankung heim. Zuerst marschierten die rumänischen Soldaten durch Deutsch-Saska Richtung Bosowitsch und nach zwei Tagen sind die deutschen Soldaten eingezogen. Der Abend ließ sich alle Tage still über unsere Gemeinde nieder. Es war einfach zu viel Stille. Eines Abends aber fingen die Kanonen an einzuschlagen. Die Projektile sind nur so über Saska geflogen. Eins schlug oben am Kreuzberg ein. Die abgebrochenen Felsenstücke flogen uns bis vor die Tür. Gemeinsam mit allen Gemeindebewohnern entschlossen wir uns in einen alten verlassenen Grubeneingang zu flüchten, um dort zu übernachten. Am Morgen des nächsten Tages, als sich die Lage beruhigt hatte, gingen mein Vater und noch einige Männer runter und stellten fest, dass die deutsche Armee in unsere Gemeinde eingezogen war. Die Stille der Gemeinde beunruhigte aber die deutschen Soldaten. Mein Vater erklärte ihnen, dass die meisten Bewohner ins Almasch-Tal geflüchtet waren. Einige von uns sind dann wieder in ihre Häuser zurückgekehrt. Die deutschen Soldaten, obwohl sie als Feinde angesehen waren, hatten sich sehr schön aufgeführt und freuten sich auch irgendwie, dass wir Deutsche waren. Wir verstanden uns sehr gut mit ihnen. Sie blieben einige Tage in Saska, danach zogen sie weiter. Wir hatten damals hier im Haus ein kleines Geschäft mit Allerlei. Die Soldaten kauften sich so was sie auf ihrem Weg noch brauchten. Was mir damals schon auffiel, trotzt Kriegszeit, die Menschlichkeit starb niemals, die deutschen Soldaten bezahlten alles bis aufs letzte gekaufte Stück.

Es vergingen einige Tage, die deutschen Soldaten zogen auf und ab. Eines Tages kam ein deutscher Offizier zu meinem Vater und bat ihn, das Haus, mit uns allen, zu verlassen. Die Deutschen konnten die Front nicht mehr halten, kein Nachschub kam mehr, die Vorräte schrumpften von Tag zu Tag, die Situation wurde kritisch. Ich konnte diese eine Nacht nicht vergessen, als sich die Soldaten zurückzuziehen versucht haben. Mein Vater war beim Tor gestanden und hat ihren gruppenweisen Rückzug beobachtet. Einige von ihnen waren verletzt, einige verwundert. Mein Vater lud eine Gruppe ins Haus ein, um sie zu ernähren und die Verwundeten zu verbinden. Wir hatten am kommenden Tag, dem 4. Oktober, Kirchweih. Meine Großmutter hatte gerade frisches Brot gebacken und als sie sich satt aßen, sagte mein Vater, dass sie einige Tage bei uns bleiben könnten. Sie lehnten ab und sagten: ... wenn wir hier bleiben, dann erschießen sie auch euch alle. Sie haben keine Ahnung, was da hinter uns herkommt.... Sie waren fortgegangen, die Nacht ließ sich nieder. Es war sehr viel Stille wieder da. Einige Nachbaren waren noch bei uns im Keller gemeinsam gesessen. Mein Vater sagte dann, dass es Zeit wäre, um uns ins Bett zu legen. Meine Mutter und ich legten uns hin, so angezogen, wie wir waren. Mein Vater ging noch kurz bis zum Fenster um nachzusehen ob vielleicht noch jemanden auf der Straße ist. Als er das Fenster schließen wollte, sah er nur Finger, die das Fenster auf einmal aufrissen. Die Russen waren eingetroffen! Mein Vater konnte sehr gut serbisch sprechen und verstand sich sofort mit ihnen. Er sperrte die Tür auf und die Russen füllten das Haus. Meine Mutter teilte ihnen die übergebliebene Ware aus den Regalen aus. Sie nahmen alles was sie für brauchbar gehalten haben mit, sogar das ganze Geld meines Vaters aus einer alten Jacke. Kurz nachdem sie das Haus verließen, fing man zu schießen an. Granaten flogen, sie schrien, es war schauderhaft, in einem Wort gesagt. Wir flüchteten durch den Garten zu dem Nachbarn.

Die Russen kamen über die Berge und überraschten die letzte deutsche Gruppe, die ihren Rückzug angetreten hatte. Zuerst sind vier Mann erschossen worden und um drei Uhr früh noch drei, die von einer Rumänin, die sie in ihre Scheune fand, verraten worden sind. Die Russen suchten sofort alle Häuser ab und wir konnten nicht mehr zu den Nachbarn flüchten und versteckten uns im Keller unseres Hauses. Als wir dasaßen, kam ein russischer Offizier mit einem Revolver in der Hand. Als ich die Pistole sah, fing ich zu schreien an. Der Offizier fragte meinem Vater, weshalb ich so schreie. Mein Vater sagte ihm, dass ich Angst hätte. Mit Tränen in den Augen sagte der russische Offizier, dass seine Familie auch von den Deutschen getötet worden war. Man kann sich ja vorstellen, was mein Vater und wir damals in diesen Momenten empfunden haben, als wir das hörten. Aber die Situation hatte sich beruhigt, der Offizier setzte sich nieder und trank ein Gläschen Wein mit meinem Vater. Nach einer Weile hat er meinen Vater auf die Strasse mitgenommen, um ihm die getöteten deutschen Soldaten zu zeigen. Als es wieder Tag wurde, marschierte die russische Armee auf und ab, den ganzen Tag lang. Die Toten lagen dort, wo sie erschossen wurden, halb nackt, ohne Schuhe, keiner traute sich sie anzurühren. Nach einer Woche ließ endlich das tägliche Auf- und Abmarschieren nach. Dann gingen die deutschen Männer unserer Gemeinde hinauf am Friedhof und gruben das Grab. Die alten Frauen luden die Körper auf kleine Wägen und führten sie nach oben, auf den Friedhof, und da wurden sie bestattet. Meine Mutter hat sich ab diesem Tag um das Soldatengrab gekümmert, besonders nachdem mein Vater in Russland, drei Jahre nach seiner Deportation sein Ende fand. Sie sagte: ... wenn ich mich nicht um das Grab meines Mann kümmern kann, dann wenigstens um das.

Wir machten schwere Zeiten auch in den 50-er Jahre unter dem kommunistischen Regime mit, weil wir ein Geschäft gehabt hatten und als „Ausbeuter“ galten. Seit meine Mutter vor drei Jahren ihre letzte Ruhe fand, kümmere ich mich um das deutsche Soldatengrab weiter. Es ist ja nicht viel zu machen, außer es mit frischen Blumen zu schmücken und Kerzen anzuzünden. Wenn ich es immer wieder erzähle, erlebe ich jede Szene von damals wieder“.

Das ist die Geschichte aus dem Tagebuch einer Banater-Bergland-Kriegsgräberfürsorgerin. Eine Geschichte von und über einfache Menschen, die nur für ein Ziel gelebt und gekämpft hatten: den Frieden. Heute, Jahrzehnte später, erinnern wir uns jährlich an das damals Geschehene und hoffen, dass so etwas nie wieder passieren wird. Wir danken Frau Luise Lang für ihren langjährigen Einsatz und wünschen ihr viel Gesundheit, damit sie noch viele Jahre in unserer Mitte verbringt, um uns aus dem Tagebuch ihres Lebens zu erzählen!

Auch in Deutsch-Saska, einer Gemeinde, die sich in der Nähe von Orawitza befindet, sind also deutsche Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind, bestattet worden. Da kümmerte sich am Anfang um die Pflege und Erhaltung des Grabes die Mutter von Frau Luise Lang, dessen Mann nicht mehr aus Russland zurückgekommen ist. Nachdem ihre Mutter verstarb, hat Frau Luise Lang die Pflege der Ruhestätte übernommen. Sie machte das auch in schwierigen Zeiten, als es eine nicht selbstverständliche Sache war.

Mit Unterstützung des Österreichischen Schwarzen Kreuzes, Kriegsgräberfürsorge - Landesgeschäftsstelle Steiermark, unter der direkten Leitung seines Kurators Dr. Herwig Brandstetter, wurde im Oktober 2007 die Renovierung des Grabmals in Deutsch-Saska vollendet. Die Fertigstellung wurde mit Unterstützung des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen Reschitza, durch seinen Vorsitzenden Erwin Josef Ţigla, und der beiden ÖSK-Beauftragten im Banater Bergland, Sandor Balogh und Gerhard Chwoika, ermöglicht. Nun steht neben dem Kreuz aus Eisen, das von den Deutsch-Saskarer hier errichtet wurde, auch ein mit Hilfe des ÖSK aus Graz angefertigtes Kreuz aus Stein mit einer Grabinschrift. Der Text darauf ist folgender: „Hier ruhen drei deutsche Soldaten, die am 4. Oktober 1944 gefallen sind: Hauptwachtmeister Walter Feeser (geb. 15.11.1907), Unterwachtmeister Martin Kaun (geb. 10.01.1923) und Eduard Kuhn, sowie vier weitere unbekannte Soldaten der Deutschen Wehrmacht, die ebenfalls am 4. Oktober 1944 gefallen sind”.

Am 26. Juni 2014 fand eine Ehrung der Gefallenen zu hundert Jahren seit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am römisch-katholischen Friedhof von Deutsch-Saska beim Grabmal der Gefallenen statt. Neben dem Bürgermeister der Gemeinde, Ion Poplicean, und der Abordnung aus Reschitza, nahmen an der Gedenkveranstaltung auch Bürgerinnen und Bürger des Ortes teil. Die Andacht hielt der römisch-katholische Pfr. Daniel Dumitru aus Orawitza, zuständig auch für diesen Ort.

Ab dem Volkstrauertag am 14. November 1999 kam der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar oder sein Vertreter nach Deutsch-Saska, um hier einen Blumenkranz niederzulegen. In der Zeitspanne 2008 - 2012 geschah das alle zwei Jahre, das letzte Mal am 18. November 2012.